Menschen und MENSCHLICHES – Alltag auf Sri Lanka (Gleichberechtigung und Sexualität)

Wir sind nun seit 48 Tagen auf Sri Lanka. Unsere ersten Eindrücke und vermeintlichen Gewissheiten über das Leben und die Religiosität auf Sri Lanka haben sich nicht immer halten können.

Wir konnten in den vergangenen Wochen sehr tief in das tägliche Leben, die Politik, gelebte und alte Kultur sowie die Glaubensangelegenheiten der unterschiedlichsten Bevölkerungsschichten eintauchen. Da wir nicht wie die üblichen Touristen reisen, sondern die Gelegenheiten für tiefere Gespräche nutzen und auch mal einfach doppelt so lange als vorher geplant, an einem Ort verweilen können, erleichtern diese Erkenntnisse. Auch das Fehlen von anderen Touristen und der anhaltende Lockdown erleichtern uns den Zugang zu den Menschen im Land. Doch am Ende ist der Hauptgrund für unsere Erlebnisse und Erfahrungen die herzliche Gastfreundschaft und Offenheit der Lanker.

Gleichberechtigung

Gleichberechtigung – gibt es nicht. Nicht nur, dass hier wie in Indien immer noch ein traditionelles Kastensystem gelebt wird. Auch die Rolle der Frauen ist eine andere als unsere ersten Eindrücke uns glauben machen wollten.

Wir nahmen an, dass muslimische Frauen hier eher unterdrückt und unfrei sind, als buddhistische. Unsere Eindrücke waren oberflächlich, da man nirgendwo viele muslimische Frauen sieht (und schon gar nicht alleine), aber buddhistische Frauen schon. Zudem sind die Muslima oft verschleiert aber es gab vor langer Zeit sogar schon buddhistische Königinnen, welche das Land regierten und mit Sirimavo Bandaranaike die erste weibliche Regierungschefin eines modernen Staates (ab 1960), noch vor Indira Gandhi in Indien (ab 1966).

Auf den zweiten Blick hat sich unser Eindruck geändert. Buddhistische Frauen leben keineswegs gleichberechtigt und werden in der doch recht patriarchal geprägten Gesellschaft als minderwertig angesehen. Die traditionelle Frauenrolle, wie wir sie in Deutschland auch nach dem zweiten Weltkrieg noch kannten, wird auf Sri Lanka kaum hinterfragt. Frauen sind zwar in der Öffentlichkeit präsent und arbeiten auch, sollen aber vor allem hübsch aussehen, nett und demütig sein, heiraten, dem Mann dienen, kochen, putzen, waschen und die Kinder erziehen. Auch in der Buddhistischen Religion nehmen Frauen eine weit untergeordnete Rolle ein. Z. B. steht eine Wiedergeburt als Frau eine Stufe unter der Wiedergeburt als Mann. Regel- und auch Geburtsschmerzen der Frauen werden im Buddhismus auf Verfehlungen in einem früheren Leben zurück geführt.

Dass sich die Frauen auf Sri Lanka hiermit zufrieden geben, liegt m. E. auch hier an den vorherrschenden Glaubenssystemen, welche zu Obrigkeitshörigkeit erziehen. Das Resultat: Viele Menschen erscheinen uns hier wie große Kinder, die durch ihre anerzogene Freundlichkeit und Friedfertigkeit sehr angenehme Menschen sind, aber auch recht leicht zu führen. Trotzdem scheinen die meisten Menschen hier glücklich, denn sie müssen ihren Alltag und ihre Zukunft nicht selbst vor sich und der Gesellschaft verantworten. Es ist eben wie es ist – und das wird so hingenommen.

Die Rolle der Frauen bei den muslimischen Tamilen ist eine stärkere als wir zunächst angenommen hatten. Nach außen sind die Frauen nicht sichtbar, aber innerhalb der Familie haben die Frauen eine große Macht. Sie sind nicht nur die Verwalter des Geldes, sondern geben in der Paarbeziehung in der Regel den Ton an. Trennt sich eine sri lankische Frau, auch eine Muslima, von ihrem Mann (was tatsächlich relativ einfach möglich ist), so erhält sie das gesamte gemeinsame Vermögen, der Ehemann geht leer aus. Damit hat jeder Ehemann eine große intrinsische Motivation seine Frau glücklich zu machen. Einschränkend muss ich berichten, dass die Kinder danach immer bei der Frau bleiben und der leibliche Vater keine Verpflichtung mehr gegenüber seinen eigenen Kindern hat. Zudem werden geschiedene Frauen in der muslimischen Gesellschaft eher ausgrenzt.

Sexualität

Auf ganz Sri Lanka, ob muslimisch, hinduistisch oder buddhistisch, haben die Menschen, nach meiner Einschätzung, ein gestörtes Verhältnis zur Sexualität. So z. B. wird man keine einheimische Frau finden, welche auch nur die geringsten sexuellen Anreize durch Kleidung aussendet. Lange und weite Kleidung, das trägt die Frau. Gebadet wird – wenn überhaupt – nur in T-Shirt und langer Hose. Kontakt zwischen Jungen und Mädchen ist erst nach der Ehe erlaubt. Die weiblichen und männlichen Jugendlichen können sich nicht außerhalb der Schule oder Universität treffen. So ist ein nicht verwunderlich, dass junge Männer manchmal ein gestörtes Sexualverhalten an den Tag legen. Als Frau (ob Einheimische oder Touristin) ist es oft nicht ungefährlich am Abend alleine unterwegs zu sein. Es gibt immer wieder sexuelle Übergriffe, selbst von jungen Männern, die fast noch Kinder sind. Die gesamte junge Generation leidet m. E. unter dieser erzwungenen Trennung der Geschlechter.

Bisher konnte ich noch keine Erkenntnisse über den Umgang mit Homosexualität sammeln. Wenn ich dieses Thema anspreche, so erhalte sich keine Reaktionen und keine Antworten. Evtl. liegt dies daran, dass Homosexualität auf Sri Lanka noch mehr „totgeschwiegen“ wird als die traditionelle. Update: Gestern habe ich erfahren, dass Homosexualität bekannt und geduldet wird. Es gibt auch Transgender in der Regierung. Ein Outing findet nicht statt, eine Schwulenszene rund um einen aktuellen Minister ist hier unter dem Synonym „butterfly“ bekannt.

Sri Lanka hat noch einen weiten Weg vor sich, um ein wirklich freies, offenes und gleichberechtigtes Leben für alle Einwohner zu ermöglichen. Die Trennung von Religion und Staat wäre hier ggf. ein erster großer Schritt zu einer modernen Gesellschaft.

Elefant am Abend: Passt inhaltlich nicht zum Beitrag, ist aber zu schön 😊

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