ANTONIO

Hochzeit von Antonios Eltern

Wir waren am Ende lediglich vier Tage in den Knuckles Bergen, und aufgrund des extrem regnerischen Wetters war ich zum ersten mal nicht unglücklich abzureisen. Dennoch haben wir am gefühlten Ende der Welt, eine der interessantesten Reisebekanntschaften der vergangenen Wochen machen dürfen: „Antonio“.

Senaka, das ist sein Geburtsname. Wie er zu Antonio wurde will ich hier beschreiben.

Zu Beginn, dachten wir dass Senaka etwas flunckert, oder zumindest übertreibt, mit seinen unglaublichen Geschichten. Doch alle Erlebnisse ist lückenlos dokumentiert und damit offensichtlich war.

Senaka ist der einzige Sohn einer singalesischen Teearbeiterfamilie. Sein Vater war Vorarbeiter, dennoch lebte die Familie in ärmeren Verhältnissen. Kaum volljährig suchte Senaka sein Glück als Arbeiter auf einem Frachtschiff. Er bereiste die Weltmeere. War überall im Orient unterwegs. Sogar Persisch beherrscht er noch ganz gut.

Er versuchte sich u. a. als Diamantenhändler. Er reiste nach Sierra Leone, hatte aber natürlich keine Ahnung von Diamanten. Die mafiösen Strukturen waren öffensichtlich und auch für ihn war es dort nicht ungefährlich. Am Ende konnte er das Land mit einem kleinen Diamanten in Richtung Schweiz verlassen. Eine schweizer Bank bezahlte ihm für den Stein mit Zertifikat umgerechnet 3.500,- Euro und bat an mehr bzw. in großem Umfang bei ihm kaufen zu wollen. Senaka hatte aber mehr als genug schlechte Erfahrungen in diesem Business gemacht und beendete damit seine Karriere als Diamantenhändler.

Mit Glück und auf Umwegen, wurde er Vorarbeiter in einer Lederfabrik. Er arbeitete für diese Firma in Teheran, eine Zeitlang wurde er nach Brasilien entstanden, um dort eine neue Fabrik aufzubauen – was allerdings nur leidlich funktionierte. Doch er persönlich setzte sich durch und wurde nach Italien geschickt.

In der Toskana dann lernte er die berühmte österreichische Künstlerin Evi Fersterer kennen. International ist sie u.a. für ihre sogenannten Klotzbilder – und skulpturen bekannt. Evi Fersterer ist keine einfache Persönlichkeit und dennoch schlossen die beiden Freundschaft.

http://www.evifersterer.at/

Evi bat ihn um Unterstützung bei der Eröffnung und Verwaltung einer Ausstellung ihrer Bilder. Senaka machte auch hier seine Sache gut. Daraufhin übernahm er auf ihren Wunsch die Leitung ihrer Galerie auf ihrem Schloß in Italien. Sie war es auch, die Senaka den Namen Antonio gab. Eva protegierte Antonio und nahm ihn wenig später mit in die winterlichen, österreichischen Berge, nach Saalbach.

Hier begann das nächste Leben von Antonio. Er arbeitete viele Winter im berühmten Luxushotel Hinterhag. Ein einfacher, kleiner Mann aus Sri Lanka im größten internationalen Skizirkus. Er hatte es nie einfach dort und Skifahren lernte er ebenfalls nie. Über die Jahre wurde er aber zum anerkanten Hotelleiter. Und ja, Antonio genoss diese Jahre!

Im Sommer als Galerieleiter in der wunderschönen Toskana und im Winter als Hotelmanager in Saalbach-Hinterglemm.

Die Zusammenarbeit mit Evi wurde, je älter und schwieriger sie wurde, immer anstrengender auch für Antonio. Hinzu kam, nach meiner Einschätzung, dass Antonio ein Alkoholproblem entwickelte. Er würde es wohl nicht eingestehen.

Mit über 60 Lebensjahren, davon mehr als 40 Jahre im Ausland, wollte Antonio zurück nach Sri Lanka.

Er hat viele Leben gelebt, viele Länder bereist, viele Berufe ausgeübt und lange Jahre in Italien und Österreich verbracht. Seine Frau ist Italienerin und lebt genau wie sein einziger Sohn, welcher Anwalt geworden ist, immer noch in Florenz. Ein echtes Zuhause hat Antonio nie gefunden und daher, als er alt wurde, beschlossen, zurückzukehren in das Land seiner Kindheit. In die einsamen Berge von Sri Lanka wollte Antonios Frau nicht folgen. Senaka konnte aber auch nicht bleiben. So lebt er seit sechs Jahren ein wieder einmal neues Leben, alleine inmitten seiner Teegärten.

Antonio wollte wieder Senaka sein. Er kaufte ein großes Stück Land in den Knuckles, um dort Tee anzubauen. Er machte den dortigen Urwald zu einem wunderschönen Teegarten, wie er ihn von seinem Vater in Erinnerung hatte. Senaka hat mehrere angestellte Pflückerfamilien angesiedelt und lässt Hausangestellte für sich arbeiten. Auch ein Haus an der Westküste der Insel gehört ihn.

Senaka passt nicht wirklich hierher in die Berge Sri Lankas, aber ich glaube er gehört nirgends wirklich hin. So ist er doch fast mehr Antonio als Senaka. Den Einheimischen ist er fremd und seine Lebensgeschichte können die Menschen hier in den Bergen nicht nachvollziehen. Er ist zu einem Sonderling in seinem Geburtsland geworden. Aber nach Europa gehört er eben auch nicht.

Das Schönste für Antonio ist es, wenn er für internationale Gäste wie uns italienisch kochen darf. Mit uns zusammen zu sitzen, Bier zu trinken und beim Erzählen der Geschichten aus seinem ungewöhnlichen Lebens zurück in die Vergangenheit zu reisen.

So lebt und schwelgt er gerne in bittersüssen Erinnerungen. Könnte ich das besser, so würde ich einen Roman über ihn schreiben – sicher ein Best Seller! Alles Gute Senaka.

Senaka heute

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